Die Pandemie lehrt uns Demut vor der Natur

Landesjägermeister Dr. Jörg Friedmann im Interview über die Jagd in Zeiten von Corona.

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Kay Lucie Ostertag:  Herr Dr. Friedmann, wie gehen Mitarbeiter/innen der Geschäftsstelle des Landesjagdverbandes Baden-Württemberg e. V. mit dieser schwierigen Situation um?

LJM Dr. Jörg Friedmann:  Unsere Mitarbeiter/innen haben sich sehr flexibel auf die geänderten Arbeitsbedingungen eingestellt. Fragen rund um die Jagd sind keineswegs weniger geworden, neue Themen kommen hinzu. Durch das Engagement unserer Mitarbeiter/innen können wir unsere Jagdzentrale in Degerloch immer besetzt halten, es gibt keine Einschränkungen bei der Erreichbarkeit, auch wenn aktuell viele Mitarbeiter/innen mobil von zuhause arbeiten.

Kay Lucie Ostertag:  Wie wirkt sich die Corona-Pandemie auf das Verbandsleben aus?

LJM Dr. Jörg Friedmann:  Unser gewohntes Verbandsleben beruht zu einem wesentlichen Teil auf persönlichen Begegnungen und Veranstaltungen zum Meinungs- und Erfahrungsaustausch. Dieses Verbandsleben ist auf den Kopf gestellt. Selbst unsere wichtigsten Veranstaltungen wie der Landesjägertag und das Wildtierforum mussten wir leider absagen bzw. verschieben.
Soweit es unter den gegebenen Umständen möglich ist, beschreiten wir nun neue Wege: So wird das LJV-Präsidium erstmals im Rahmen einer Videokonferenz zusammenkommen. Vieles wird inzwischen digital erledigt, im Einsatz für unser analoges Handwerk.

Kay Lucie Ostertag:  Die Afrikanische Schweinepest kennt keine Corona-Krise und breitet sich immer weiter aus. Wie können Jägerinnen und Jäger trotz der aktuellen Einschränkungen präventiv dagegenwirken?

LJM Dr. Jörg Friedmann:  Die Einzeljagd auf das Schwarzwild ist unverändert möglich und gerade in dieser Jahreszeit das Mittel der Wahl. Sie gilt es zu intensivieren. Ein Problem ist die Vermarktung des Wildbrets. Der Absatzweg Gastronomie entfällt zurzeit. Auch deshalb werden sich alle Jägerinnen und Jäger intensiver mit den Fragen ihrer Wildbretvermarktung auseinandersetzen zu haben. Sie müssen ihr Angebot vermehrt auf die aktuellen Bedürfnisse der Verbraucherinnen und Verbraucher zuschneiden. Die Vermarktung von Strecken in der Schwarte ist heute nicht mehr zukunftsträchtig.

Kay Lucie Ostertag:  Sie selbst führen einen kleinen Münsterländer, wie halten Sie Ihren Hund derzeit jagdlich fit?

LJM Dr. Jörg Friedmann:  Hund und Herr müssen in Bewegung bleiben. Leider ist aktuell kein Lehrgang zur Vorbereitung auf die VGP möglich. Also gilt es, Gehorsam, Schweißarbeit und Schleppen alleine und leider ohne Anleitung zu üben. Der Bindung von Führer und Hund tut dies gut. Kraft, Energie und die jagdlichen Anlagen eines jungen Hundes stiften Motivation, auch in Zeiten einer Pandemie.

Kay Lucie Ostertag:  Die Corona-Krise birgt einen großen Einschnitt in den Alltag aller Menschen. Wie sieht Ihr Alltag derzeit aus?

LJM Dr. Jörg Friedmann:  Beruflich haben wir auf einen Zwei-Schicht-Betrieb umgestellt, das heißt auch ich arbeite zu einem wesentlichen Teil im Homeoffice und schätze die Vorzüge der elektronischen Akte. Die Verbandsarbeit in LJV und DJV hat sich mehr als bisher auf Telefon- und Videokonferenzen verlagert. Den Kontakt zu halten ist unverändert wichtig. Für eine Übergangszeit sehe ich hier keine wesentlichen Nachteile, ich hoffe aber, dass wir bald zu mehr persönlichen Kontakten zurückkehren können.

Kay Lucie Ostertag:  Sehen Sie auch Chancen, die durch diese Krise entstehen?

LJM Dr. Jörg Friedmann:  Unbedingt. Die Pandemie lehrt uns eine gewisse Demut vor der Natur. Hygienemaßnahmen, auch im Zusammenhang mit der Wildbretvermarktung, werden zu Recht in den Fokus der Betrachtung gerückt. Schließlich ist die Pandemie ein Katalysator der Digitalisierung der Verbandsarbeit und der Jagd. Dies muss keineswegs zu Lasten des persönlichen Erlebnisses in der Natur gehen. Die Gesellschaft rückt in Corona-Zeiten ein gutes Stück enger zusammen. Mit unserer Tätigkeit für Wild, Jagd und Natur und mit der Gewinnung des Lebensmittels Wildbret können wir in einer zunehmend digitalisierten Welt ganz natürlich punkten. Die Bedeutung unseres Auftrags und unserer Leidenschaft gewinnt an Kontur.
An dieser Stelle möchte ich mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Geschäftsstelle, und vor allem bei den Jägerinnen und Jägern bedanken. Mit Engagement und Zusammenhalt werden wir diese Krise überwinden.

 

Stand 4.5.2020