Gedanken zum neuen Jagdjahr

Ein neues Jagdjahr beginnt und markiert gleichzeitig den Aufbruch in einen neuen Lebenszyklus. Landesjägermeister Dr. Jörg Friedmann gibt einen Ausblick auf die Themen, die Jägerinnen und Jäger im Revier und darüber hinaus beschäftigen werden.

Erstellt am

Das neue Jagdjahr beginnt. Unsere Jagd schlägt ein neues Kapitel auf. Inmitten unruhiger Zeiten. Emotionen schlagen in (Wut-)Protesten hohe Wellen, Verunsicherung nimmt zu, Polarisierung erschwert den Diskurs.  Europa-, Kommunal- sowie diverse Landtagswahlen stehen bevor. Da geraten mit Leidenschaft diskutierte Themen wie die Jagd in den politischen Fokus.

1. Regulierungswut und Bürokratie

Die Proteste der Bauern gegen die Reduzierung der Subvention des Agrardiesels sind Konsequenz einer überbordenden Regulierungswut. Sie belegen den entstandenen Leidensdruck. Wild und Jagd brauchen die Landwirtschaft. Die Produktion von regionalen Lebensmitteln, Lebensraumgestaltung für Wildtiere, Kitzrettung – ohne die Landwirtschaft und ein gutes Miteinander ist dies alles undenkbar. Jäger und Landwirte erbringen vielfältige Leistungen von höchstem gesellschaftlichen Nutzen. Beide wollen die Ressourcen der Natur eigenverantwortlich, mit Augenmaß und Vernunft unbürokratisch nutzen.

Und was fällt unseren politischen Parteien als Reaktion auf die Proteste ein? Zur Besänftigung des Unmuts der Bauern wollen sie Stilllegungsflächen opfern und die Hühner unter den Pflug bringen. Solche Rezepte bringen die Landwirtschaft nicht weiter und mit Wild, Jagd und Natur nicht zusammen. Weder ein grüner Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir noch eine CDU sollten sich für solche Maßnahmen feiern lassen. Angezeigt wären bürokratische Entlastungen und eine gesellschaftliche wie monetäre Anerkennung der vielfältigen Leistungen unserer Landwirtschaft – mit Prämie für die Artenvielfalt.

Unsere Bundesinnenministerin Faeser verkündet derweil ernsthaft, die innere Sicherheit durch eine erneute Verschärfung des Waffenrechts verbessern zu wollen. Bei geschätzten 20 Millionen illegalen Waffen bringt eine weitere Drangsalierung der legalen Waffenbesitzer keinerlei Sicherheitsgewinn. Einfache und kostenneutrale Maßnahmen, wie die Änderung der Kriminalstatistik durch gesonderten Ausweis von mit legalen Schusswaffen begangenen Straftaten, geht sie dagegen nicht an. Hier wird bewusst keine Transparenz geschaffen.

Hinzu kommen Verschärfungen durch die Rechtsprechung, zuletzt das „Schlüssel-Urteil“ des OVG Münster. Unabhängig davon, ob wir dieses Urteil für richtig halten: Wir empfehlen, Schlüssel zu Waffenschränken in einem der Sicherheitsstufe der aufzubewahrenden Waffen entsprechenden Behältnis aufzubewahren. Unterschiedliche Umsetzungen der jeweiligen Waffenbehörden lassen Auswüchse und Kapriolen in der Kontrollpraxis befürchten.

Dazu ein über Brüssel initiiertes Verbot bleihaltiger Schrotmunition und bleihaltiger Randfeuer-Büchsenpatronen mit einer Übergangsfrist von vielleicht noch fünf Jahren – die Jagd wird auch über das Waffenrecht in die Zange genommen.

Seitens des Tierschutzes drohen weitere Restriktionen: Ein Kupierverbot bei Vorsteh- und Stöberhunderassen ist zwar in der derzeitigen Entwurfsfassung des Tierschutzgesetzes nicht mehr enthalten. Die Diskussion wird aber über eine europäische Vorgabe geführt werden müssen. Ebenso zur Anbindhaltung von Greifvögeln in der Falknerei. Erfahrungen aus anderen Bundesländern lassen weitere Profilierungsversuche in Sachen Tierschutz zu Lasten der Jagd befürchten. Schliefenanlagen sowie weitere Arbeiten hinter lebendem Wild sind Themen, die Tierrechtsorganisationen gezielt zur Spendenwerbung einsetzen werden.

Tierschutz ist für uns Jäger eine Selbstverständlichkeit. Wir werden verstärkt darauf achten, dass bei Bewegungsjagden ausschließlich tierschutzkonform jagende Jagdhunde zum Einsatz kommen. Sofern Bewegungsjagden zukünftig auf größeren Flächen noch durchgeführt werden können. So überraschte das Land mitten in der Bewegungsjagdsaison im Dezember 2023 mit der Mitteilung, keine Kostenerstattung für verkehrsrechtliche Anordnungen anlässlich von Bewegungsjagden mehr zu übernehmen. Kein Kostenersatz, keine Erlaubnis zum Aufstellen von Schildern, Schulungsvorgaben und seitens der Veterinärverwaltung die Aufforderung, vermehrt Bewegungsjagden zur ASP-Prävention durchzuführen. Das passt alles erkennbar nicht zusammen.

2. Wald, Wild und Rotwild

Das neue Jagdjahr wird eine Erweiterung der Ziele des JWMG in § 2 Nr. 5 mit sich bringen: Das JWMG trägt danach unter anderem dazu bei, durch die Jagd das Entstehen von klimastabilen Wäldern zu unterstützen. Ohne jeden Zweifel kommt der Jagd eine wesentliche Unterstützungsfunktion beim Waldumbau zu. Eine ausgeprägte Intervall- und Schwerpunktjagd ist aus gutem Grund bereits seit langer Zeit ein wesentliches Instrument der Jagdausübung in unseren Revieren.

Die Unterstützungsfunktion der Jagd darf allerdings nicht zu einem Freibrief für einen radikalen Schalenwildabschuss ohne Berücksichtigung wildbiologischer Notwendigkeiten verkommen. Verbissursachen sind vielfältig. Waldbau, Jagd und Qualität der Lebensräume, insbesondere Ruhe, sind entscheidende Faktoren. Wir brauchen ganzheitliche, eine wildtierökologische Raumplanung zum Ziel habende Strategien. Jagd ist zwar Auf-trag, aber keine bloße Dienstleistung für die Forstwirtschaft durch radikalen Waldschutz mit der Büchse. Als Anwälte unseres Wildes müssen wir auf ausgewogene Sozialstrukturen unserer Bestände, auf die Auswirkungen unseres Tuns und auf das Ruhebedürfnis unseres Wildes hinreichend Rücksicht nehmen. Verjüngung ermöglichen, ohne unnötig Angsträume für das Wild zu schaffen – das muss unser Ziel sein.

Es bleibt zu hoffen, dass die aufgefüllten Grundwasserstände die Situation der Wälder verbessern. Treten wir ein in einen Dialog Wald und Wild mit Augenmaß, Verstand und Vernunft. Kommunikation ist der Schlüssel zum Erfolg.

Gespannt dürfen wir weiter sein, ob die Politik sich endlich ernsthaft der teilweise desaströsen Strukturen unserer Schalenwildbestände annimmt und die eindeutigen Forschungsergebnisse der Rotwildgenetik in ein wissensbasiertes Handeln umsetzt. Unsere Rotwildbestände sind nach den Ergebnissen neuerer Forschungen der FVA nicht in der Lage, sich auf Dauer verändernden Lebensbedingungen anzupassen, sie verarmen genetisch. Wanderkorridore für den genetischen Aus-tausch müssen geöffnet und geschützt werden. Ein Herumfahren und Aussetzen von Rotwild nach Zoo-Manier ist keine wildbiologisch erfolgversprechende Option. Die Errichtung neuer Barrieren, insbesondere auch durch Freiflächen-Photovoltaik-Anlagen auf Wildwanderwegen, müssen verhindert werden. Auch in diesen Fragen hat sich ein Stau der Entscheidungen gebildet. Wann wird mit dessen überfälliger Auflösung endlich begonnen?

3. Wildtierbericht, Wolf und Biber

Im neuen Jagdjahr steht das Erscheinen des Wildtierberichts 2024 an. Fragen werden sein: Kommt er erstmals pünktlich? Bekennt sich die Politik zu ihrem eigenen Anspruch, indem sie den Wildtierbericht 2024 auf rein fachlicher Praxis mit Empfehlungen für die nachfolgenden politischen Entscheidungen erstellen lässt? Kann die Datenbasis erweitert werden?

Das JWMG hat mit dem Wildtierbericht ein großartiges Instrument für wissensbasierte politische Entscheidungen geschaffen. Der LJV wirkt an zentraler Stelle an seiner Erstellung mit. Der Wildtierbericht muss entpolitisiert werden! Als fachliche Grundlage für politische Entscheidungen wird er dann umso wertvoller. Goldschakal, Kolkrabe und Saatkrähe gehören in den Wildtierbericht wie durchgängige wildbiologische Handlungsempfehlungen, auch zu Wolf und Biber.

Inzwischen unerträglich ist das Zaudern grüner Naturschutzpolitik beim Umgang mit dem Wolf. Der Wolf erfüllt alle Kriterien für die Aufnahme in das JWMG. Dennoch steht das Umweltministerium mit beiden Beinen auf der Bremse. Politisch. Fachlich unbegründet. Es geht um Haushaltsmittel und um die Wahrung alleiniger Entscheidungshoheit. Die Herausforderungen sind bekannt, ein Wissensdefizit besteht keines. Die grün geführte Landesregierung hat das erste Wildtiermanagementgesetz in Deutschland geschaffen und lässt nun Länder wie Niedersachsen und Schleswig-Holstein in Sachen Wildtiermanagement an sich vorbeiziehen. Schaffen die Grünen beim Wolf endlich den Sprung zum wissensbasierten Handeln?

Ebenso wie beim Wolf läuft grüne Naturschutzpolitik beim Biber gegen die Wand. Beim auf zwei Jahre angesetzten „Bibermodellprojekt nach bayerischem Vorbild“, einem Gemeinschaftsprojekt von UM und MLR, sollte geprüft werden, inwieweit das bisherige Bibermanagement um die ausnahmsweise „letale Entnahme“ von Bibern als ultima ratio erweitert werden kann. Daneben sollte u.a. geklärt werden, inwieweit die Jägerschaft verstärkt in das Bibermanagement integriert werden kann.

Während der Laufzeit des Projekts ist es nicht gelungen, auch nur einen Biber „letal zu entnehmen“. Über Projektinhalte ist wenig bis nichts bekannt, Transparenz ist ein Fremdwort. Eine Einbeziehung der Jägerschaft ist nicht ersichtlich. Und dann wird gefeiert, dass kurz nach Ende des Modellprojekts zwei (!) Biber „letal entnommen“ wurden. Bereits im Jahr 2021 wurden In Bayern 2.100 Biber erlegt. Der LJV misst das Biberprojekt nicht an der Anzahl „letal entnommener“ Biber. Der Biber ist eine faszinierende Wildart mit maximaler ökologischer Wirkung. Aber eben auch eine mit einem hohen, vor allem ökonomischen Konfliktpotential. Wir müssen die Interessen des Bibers wie auch die des Grundeigentums in angemessenen Ausgleich bringen. Transparent und auf Augenhöhe.

4. Ihr LJV

Ihr Landesjagdverband wird sich im neuen Jagdjahr mit neuen handelnden Personen weiterentwickeln. Das Engagement eines jeden Einzelnen in jeder Jägervereinigung ist ungemein wertvoll. Für die Jagd. Aber vor allem für das Wild. Und für die Natur. In diesem Sinne: Bleiben Sie engagiert bzw. engagieren Sie sich! Für unseren Auftrag mit der uns eigenen Leidenschaft.

Allen Jägerinnen und Jägern wünsche ich guten Anblick, reichlich Anlauf, großartige Hundearbeiten und kräftiges Weidmannsheil im neuen Jagdjahr.

 

Dr. Jörg Friedmann,
Landesjägermeister