Bertram Graf Quadt ist weder Wissenschaftler noch Wildbiologe. Doch seit fast einem halben Jahrhundert geht er intensiv der Blattjagd nach – nicht nur in den heimischen Wäldern, sondern in ganz Europa von Schweden über England bis nach Kroatien. Der Waidmann und Hörfunkjournalist weiß, wann es auf den rechten Ton ankommt – und wie er dem Blatter die richtige Melodie entlockt. In Seminaren teilt er sein Wissen und seine Erfahrung und verrät, wann die Böcke springen.
Zur richtigen Zeit am richtigen Ort
Die Formel zur erfolgreichen Blattjagd klingt simpel: Dort, wo ein Rehbock in Hörweite ist, muss in der Zeit, in der er noch paarungswillig ist, aber keine Geiß hat, auf die richtige Weise geblattet
werden. Die wichtigste Variable ist dabei das „Wo“. „Der richtige Ort ist faktisch die halbe Miete beim Blatt-Erfolg“, sagt Bertram Graf Quadt. Grundsätzlich gilt: Man muss dort blatten, wo die Brunft tatsächlich stattfinden kann. Dazu braucht es vor allem eine passende Flächenstruktur: Uneinsehbare Flächen wie hohe Wiesen, aber auch Weizen- und Maisschläge, laden Bock und Geiß zum Brunfttreiben ein.
Rehe lassen sich nur ungern vom Dunklen ins Helle locken. Erweckt der Blatter dennoch das Interesse, warten die Böcke an der Grenze von geschützter Deckung zu heller Freifläche beobachtend ab – oder rasen sofort auf die Lichtung, schauen, ob sie eine Geiß eräugen und verschwinden dann wieder. In jedem Fall verspielt sich der Jäger hier einen wichtigen Vorteil.
Am Boden blattet es sich erfolgreicher als vom Hochsitz aus – denn Rehwild äugt nur ungern nach oben, weiß Quadt. Vor allem auf kurze Distanz können Jäger schnell auffliegen, denn die Böcke wissen: Geißen rufen nicht aus luftigen Höhen herab. Zudem empfindet Bertram Graf Quadt die Blattjagd vom Boden aus als reizvoller: „Es ist spannender, ich bin mehr gefordert, auf Augenhöhe und habe eine größere Auswahl an Positionen.“
Brunftzeit ist nicht Blattzeit
Um die richtige Zeit abzupassen, muss Jägerinnen und Jägern der Verlauf von Brunft und Blattzeit bewusst sein: Wann sind die Böcke in Ihrem Revier solo unterwegs? Ein wichtiger Indikator ist bereits die Setzzeit. Etwa 60 bis 64 Tage nach dem Setzen sind die Geißen wieder brunftig. Auf die Brunft folgen die „toten Tage“, wenn die Geißen beschlagen sind und die Böcke sich ausruhen. Ein paar Tage später beginnt die Suche nach brunftigen Geißen erneut – und die Blattzeit beginnt.
Dann heißt es: Ab ins Revier. Die Blattjagd ist den ganzen Tag möglich. Besonders die Mittagszeit bietet erfolgsversprechende Stunden. Das gilt vor allem bei Vollmond: Wer hier sein Glück in der Morgendämmerung versucht, wird ziemlich sicher ohne Bruch nach Hause gehen. Im drückendschwülen Hochsommer nutzen die Rehe die kühlsten Stunden der Nacht, am liebsten bei Mondschein. Zur Mittagszeit etwa kehren sie dann wieder zu ihrem normalen Äsungsrhythmus zurück.
Auch Wildbestand und Geschlechterverhältnis nehmen Einfluss auf die Erfolgschancen: In Revieren mit zu hohem Wildbestand stehen die Chancen zu Beginn der Brunft am besten, wenn nur wenige Geißen brunftig sind. Auch in rehwildarmen Revieren gilt es, sich auf die Zeit der Brunft zu konzentrieren, weil die Blattzeit bei geringem Bestand meist gar nicht erst entsteht. Wer zu viele Geißen im Revier hat, dem springen die starken Böcke zum Beginn der Brunft, die Jährlinge über die gesamte Zeit hinweg. Bei einem ausgeglichenen Wildbestand springen alte Böcke zur Hauptblattzeit am besten, mittelalte eher am Anfang und Jährlinge nehmen ganz am Anfang und ganz am Ende an der Brunft teil.
Die Geiß ist die beste Lehrerin
Wenn Ort und Zeit passen, müssen auch noch die richtigen Töne angeschlagen werden. Wer Melodie und Ablauf kennenlernen möchte, muss nur der Geiß lauschen. „Sie ist die beste Lehrerin“, sagt Quadt. Ein guter Blatter sollte die ganze Bandbreite der unterschiedlichen Rufe hergeben. Das sind der helle, gerade Kitzfiep, mit dem das Kitz Kontakt zu seiner Mutter aufnimmt, das Fiepen von Bock und Geiß, dem Kitzfiep in Art und Nutzen nicht unähnlich, aber tiefer, und das Locken: Die Geiß ruft den Bock mit einem längeren, nahezu schmelzenden Ton, der gegen Ende hin deutlich abfällt. Auch aus Eifersucht springen die Böcke: Sprengruf, Geschrei und großes Geschrei werden im Brunfttreiben ausgestoßen, wenn der Bock hinter der Geiß her ist, sie sich aber noch
nicht stellt. In der Blattjagd können Jägerinnen und Jäger diese Töne nutzen, um Böcke anzulocken, die einen Nebenbuhler vertreiben wollen.
Beim Angstschrei des Kitzes schlägt Bertram Graf Quadt mahnende Töne an: „Der Kitzangstschrei funktioniert sehr gut – ich setze ihn aber als Mittel nicht ein, weil ich ihn als unfair und sehr brutal betrachte.“
Nicht nur mit Hilfe des Blatters lässt sich die Klangwelt des Rehwilds imitieren: Das Schrecken des Bocks lässt sich ohne Instrument mit etwas Übung nachahmen. „Ich kann zurückschrecken – und so mit ihm ‚reden‘. Wenn ich mich verraten habe, maskiere ich durch das Mitschrecken meinen Fehler“, sagt Quadt. Auch das Plätzen ist nicht nur visuell, sondern wird zu einer akustischen Markierung, wenn das trockene Waldstreu aufs Erdreich prasselt. Mit Händen und Füßen lässt sich das leicht imitieren. Ähnliches gilt fürs Fegen: „Das Reh hört dieses Geräusch relativ leicht – und ich kann das genauso gut mit einem Stock nachmachen“, erklärt Bertram Graf Quadt. Ob blatten, schrecken, plätzen oder fegen: Wichtig ist, das Geschehen so lebensnah wie möglich einzusetzen und klingen zu lassen. Wie das am besten funktioniert? „Man muss denken wie ein Reh.“
Katharina Daiss (LJV)