An einem Morgen im Spätherbst sitze ich auf einer offenen Kanzel in einem Revier auf der Schwäbischen Alb. Mein Atem ist in der kalten Luft zu sehen. Der Nebel wird langsam durch die Kraft der Sonnenstrahlen verdrängt.
Am Waldrand zieht Rehwild auf die Wiese. Ich nehme das Fernglas an die Augen und erkenne ein adultes weibliches Stück. Ich beobachte es beim Äsen. „Wenn die nächsten zehn Minuten kein Kitz folgt, werde ich mich zum Schuss bereit machen“, denke ich. Und so lehne ich mich zurück, die Geiß im Auge behaltend und genieße den Anblick.
Verträumt schaue ich auf und nehme die Waffe hoch. Ich lege sie auf der Brüstung der Kanzel ab, backe an und richte meinen Blick durch das Zielfernrohr. Das Fadenkreuz ruht auf dem Blatt des Rehs – es steht breit und ich spanne die Waffe. Alle Bedingungen für einen sauberen Schuss sind erfüllt, doch irgendetwas in mir hindert mich, am Abzug zu ziehen. Ich verharre noch eine Weile, bis ich die Waffe wieder sichere herunternehme und zu mir sage „Nicht geschossen ist auch gejagt!“
Später frage ich mich, was da wohl geschehen ist. Sind das Situationen, in denen sich der Heilige Hubertus, der Patron der Jäger und Jagdhunde, offenbart? Diese Frage kann sich jeder nur selbst beantworten.
Doch ganz egal wie die Antwort lautet, wichtig ist das Bewusstsein, in welcher Situation wir einen Schuss abgeben, um waidgerecht und im Sinne des Wildes zu jagen. Eine Zusammenfassung über die Legende, die geschichtlichen Daten sowie das jagdliche Brauchtum zum Heiligen Hubertus finden Sie auf der rechten Seite.
Brauchtum
Am Hubertustag und im gesamten November werden in unzähligen Kirchen Hubertusmessen gefeiert. Neben dem grünen Altarschmuck aus Nadelholz mit Hirschgeweih werden die Gottesdienste von Parforcehörnern begleitet. Oftmals wird zu Beginn einer Hubertusmesse noch der Jägerschlag ausgeübt.
Geschichte
Über das Geburtsjahr des historischen Hubertus von Lüttich gibt es keine genaue Überlieferung. Er lebte wohl als Pfalzgraf in Paris. Nach dem Tod seiner Frau zog Hubertus als Einsiedler in die Ardennen. Im Jahr 705 wurde er Bischof von Tongern-Maastricht, 716 verlegte er seinen Bischofsitz nach Lüttich. Die Reliquien des Heiligen Hubertus wurden am 3. November 743 erhoben, 16 Jahre nach seinem Tod. Dieser Tag wird bis heute als sein Gedenktag gefeiert.
Die Legende
Die Legende des Heiligen Hubertus ist wohl eine der bekanntesten überhaupt, in dieser geht Hubertus auf Jagd. Vor ihm erscheint ein prächtiger Hirsch. Während Hubertus seine Waffe hochnimmt, dreht der Hirsch sein Haupt in Richtung des Jägers, zwischen seinem Geweih erscheint ein strahlendes Kreuz. „Hubertus, ich erlöse Dich und dennoch verfolgst Du mich“, soll der Hirsch gesagt haben, woraufhin Hubertus seine Waffe wegwirft und zum Heiligen wird.
Lange Zeit fand am 3. November, dem Hubertus-Tag, die erste Jagd des Jahres statt. Der mit Schweiß benetzte „Bruch“ am Hut des erfolgreichen Jägers soll dem Heiligen Hubertus geweiht sein.
Was wäre eine Legende ohne ihren erzieherischen Hintergedanken? In diesem Fall lässt die Geschichte vermuten, dass Jäger an ihre Verantwortung erinnert werden sollen. Denn wie heißt das Sprichwort? „Ist die Kugel aus dem Lauf, hält kein Teufel sie mehr auf!“
Die moderne Jagd ist kein Privileg zum Zeitvertreib, sie ist verantwortliches und notwendiges Handeln. Der Hubertusgottesdienst und diese alte Legende sollen jeden Jäger dazu bringen, über die Verantwortung des Menschen für die Schöpfung neu nachzudenken.