303 Delegierte, Politiker sowie Gäste aus Baden-Württemberg und über die Landesgrenzen hinaus trafen sich in Ulm.
Ulm (15.7.2023) Die Ulmer Alb-Halle war am Samstagvormittag bis auf den letzten Platz mit 303 Delegierten und geladenen Gästen gefüllt. Als besondere Ehrengäste des LJV begrüßte Dr. Friedmann den neuen Präsidenten des Deutschen Jagdverbandes (DJV), Helmut Dammann-Tamke, sowie Geschäftsführer Olaf Niestroj.
Der thematische Schwerpunkt dieses Landesjägertags umfasste das Spannungsfeld, in welchem sich die Jagd zurzeit befindet. Positioniert zwischen Waldumbau und Freizeitnutzung sind Jägerinnen und Jäger fachkundige Akteure und Anwälte des Wildes, die unter nachhaltigen Gesichtspunkten ihren Auftrag mit Leidenschaft erfüllen.
Jagdpolitische Ausführungen
„Wir werden nie bloße Dienstleister von Dritten sein, das ist nicht unser Verständnis einer zeitgemäßen Jagd“, lautete der Einstieg von Landesjägermeister Dr. Jörg Friedmann in seinen jagdpolitischen Ausführungen. „Wir Jäger sehen uns als Anwälte des uns anvertrauten Wildes. Deshalb fordern wir auch ein funktionierendes Rotwildmanagement, das nur gemeinsam gelingen kann. Ein Handeln ist dringend erforderlich und wir verwehren uns gegen ein Umherfahren von Hirschen.“ Das funktioniert vielleicht für Zootiere, aber nicht für das Wild. Dr. Friedmann forderte eine Aufhebung des Abschussgebots junger Hirsche und erwartet, dass die ausgestreckte Hand des Landesjagdverbands Baden-Württemberg vom MLR für einen konstruktiven Weg angenommen wird. „Ebenso fordern wir endlich das Inkrafttreten des Maßnahmenplans für das Auerhuhn, für das sich der grüne jagdpolitische Sprecher Reinhold Pix im Frühjahr stark machen wollte. Die Aufnahme des Wolfs in das JWMG ist für uns essenziell und hier brauchen wir endlich Taten statt Sonntagsreden. Lassen sie uns gemeinsam eine Wolfsverordnung entwickeln“, forderte Dr. Friedmann auf.
Zur aktuellen Jagdpolitik des Landes äußerte sich Landesforstpräsident Martin Strittmatter, Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg (MLR), wie folgt: „Das Rehwild könnte zum Profiteuer des Klimawandels durch mehr lichte Flächen werden. Der Umbau der Wälder ist eine große Herausforderung, weshalb die Runden Tische zum Thema das geeignete Mittel sind, um zu eruieren, wie die Waldfunktionen, basierend auf abgesichertem Wissen, erhalten werden können.“ Auch beim Rotwild will das MLR diesen Weg beschreiten und den richtigen Mix an Maßnahmen wählen. „Allein die Öffnung der Rotwildgebiete löst jedoch nicht die genetische Problematik“, meinte Strittmatter.
Impulsvortrag und Podiumsgespräch
Stefan Pfefferle, Revierjagdmeister im Oberallgäu und akademischer Jagdwirt, führte in seinem Impulsvortrag vor Augen, wie die Lenkung von Schalenwild durch Schwerpunktbejagung im Wald und nicht am Waldrand, Intervalljagd- und Jagdruhezonen funktioniert. Das Wild wird wieder sichtbar, sobald der Jagddruck sinkt.
Beim anschließenden Podiumsgespräch diskutierten die unterschiedlichen Akteure über das Spannungsfeld, in dem sich die Jagd zurzeit befindet.
„Können Wildtiere das Offenland bei Tageslicht nutzen, wird ihre Lebensqualität enorm verbessert und die Waldverjüngung deutlich entlastet“, argumentierte Pfefferle. Torsten Reinwald, Diplom-Biologe und Pressesprecher des DJV sah dies ganz ähnlich: „Die Kausalkette „Reh knabbert an jungen Bäumchen, deshalb müssen wir einfach mehr jagen, damit klimafitter Mischwald wächst“ ist eingängig – aber falsch. Was wir brauchen ist ein wildtierfreundlicher Interessensausgleich zwischen Waldbesitzern, Kommunen, Jägerschaft und Tourismus und das gelingt mit der wildökologischen Raumplanung“. „Neben überhöhten Wildbeständen verursachen Störungen des Wildes Wildschäden und erschweren die Jagd massiv. Deshalb brauchen wir eine Trendumkehr in der ausufernden Freizeitnutzung. Die Waldgesetze bedürfen einer Reform und der Tourismus eine bessere Folgenabschätzung“, führte Gundolf Bartmann, Forstamtsleiter des Forstamtes Trier und Vizepräsident des LJV Rheinland-Pfalz, vor Augen. „Jäger und Freizeitnutzende des Waldes und Waldbauern brauchen den überlebensfähigen Wald. Wo nicht gepflegt, gehegt und gesorgt wird, haben wir bald aufgrund von Klimawandel und „Flächenfraß“ keinen Wald mehr. Alle Waldnutzenden sind durch die zunehmenden Herausforderungen aufeinander angewiesen, zu einem konstruktiven, lebensfreundlichen Zusammenwirken für Mensch und Natur – auch Wald – zu kommen“, lautete das Statement von Dr. Eberhard Müller, Ökologe, Theologe, Mitwelt-Berater und in der Vereinigung der Freizeitreiter und -fahrer in Deutschland e.V. aktiv.
Die Moderation übernahm der Direktor der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA), Prof. Dr. Ulrich Schraml. Er fasste am Ende die Statements treffend zusammen: „Es geht um das Zusammenspiel aller Akteure und nicht um einen Wald-Wild-Konflikt.“
Delegiertenversammlung
Am Nachmittag fand die Delegiertenversammlung als höchstes Beratungs- und Entscheidungsgremium des Landesjagdverbands Baden-Württemberg e. V. statt. In diesem Jahr stand die Wahl des zweiten Stellvertretenden Landesjägermeisters an. Peter Lutz, Bezirksjägermeister für den Bezirk Tübingen, bewarb sich mit einer Rede für dieses Amt und wurde zum 2. Stellvertretenden Landesjägermeister gewählt. Der LJV vertritt die Interessen von über 34.000 Jägerinnen und Jäger in Baden-Württemberg. Die Delegierten der regionalen Jägervereinigungen Baden-Württembergs, der außerordentlichen Mitglieder und der Mitglieder des LJV-Präsidiums tagen einmal jährlich an wechselnden Orten im Land.