Waschbär als Lebensmittel

Wildrezepte sind heiß begehrt. Doch beim Verzehr des amerikanischen Allesfressers sind einige Besonderheiten zu beachten.

  • Foto: Seifert/DJV

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Waschbär-Bällchen in einem „Racoon-Gumbo“ – das Rezept der WildRebellen hat in der Februarausgabe der Jagd in BW teils für verwunderte Nachfragen seitens einiger Leserinnen und Leser geführt. Manch einer fragte sich, ob der Waschbär hierzulande überhaupt verzehrt werden dürfe – und wenn ja, unter welchen Umständen. Grund genug für uns, etwas Licht ins Dunkel zu bringen. Hierfür haben wir ein Interview mit Dr. Thomas Stegmanns geführt, seines Zeichens Veterinär bei der Stadt Stuttgart und selbst Jäger.

 

Darf Wildbret vom Waschbären verzehrt und auch an Dritte abgegeben werden?

Dr. Stegmanns: Ja. Das Lebensmittelrecht untersagt nur den Verzehr von Hund, Katze und Affe sowie alle anderen Caniden und Feliden. Sie dürften im Gegensatz zum Waschbären den Wolf und den Fuchs, aber auch den Luchs nicht essen.

 

Welche Besonderheiten müssen Jäger beim Umgang mit Waschbären, die zum Verzehr gedacht sind, beachten.

Dr. Stegmanns: Der Waschbär muss auf Trichinen untersucht werden. Die Probe darf der Jäger nicht selbst nehmen, sondern muss sie von amtlichem Personal entnehmen lassen. Das ist der Unterschied zu Dachs und Sau. Außerdem muss der Waschbär unter sieben Grad gekühlt werden und nicht unter vier Grad wie das Federwild. Grundsätzlich gilt aber: je kälter desto besser.
(Anmerkung der Redaktion: Das Lebensmittelrecht der EU spricht von Groß- und Kleinwild, was sich zum Beispiel in unterschiedlichen Lagertemperaturen des Fleisches widerspiegelt. Großwild: max. 7 °C, Kleinwild: max. 4 °C, jeweils im Kern gemessen. Da bei Kleinwild ausschließlich von Vögeln und hasenartigen Tieren gesprochen wird, zählt der Waschbär zur Gruppe des Großwildes).

 

Der Waschbär darf aber aufgebrochen zur Beprobung gebracht werden?

Dr. Stegmanns: Ja natürlich, ich bitte wirklich darum. Im Balg kann er sein, muss aber nicht – früher sind die Leute auch mit dem abgeschwarteten Dachs gekommen. Es sollte halt erkennbar sein, um welches Wild es sich handelt.

 

Gilt das auch für abgeschwartete Sauen im Kühlhaus?

Dr. Stegmanns: Im Gesetztext heißt es, das Wild darf nicht be- oder verarbeitet werden. Wenn die Stücke nur abgeschwartet sind, hätten Sie streng genommen das Wildbret nicht bearbeitet. Kommt mit der Schwarte auch das Haupt runter, dann darf kein Wildbret, bspw. die Bäckchen, fehlen. Wobei ich sage: Sie können das im Vorfeld beim Veterinäramt absprechen. Für uns dürfte das kein Problem sein, man müsste sich darüber unterhalten. Im Endeffekt gilt: Ist klar, wo Schwarte und Haupt mit der Muskulatur sind, wenn wir je Trichinen finden sollten?

 

Welche bedenklichen Merkmale gibt es beim Waschbären zu beachten?

Dr. Stegmanns: Für ihn gelten die normalen bedenklichen Merkmale: Ist das Stück abgemagert, sind offene Knochenbrüche oder Schwellungen, Entzündungen oder Abszesse zu sehen oder sind die Organe verfärbt? Mit dem Waschbärspulwurm haben wir aber eine Besonderheit, was die Parasiten betrifft. Dieser Endoparasit lebt im Darm des Waschbären. Die Eier sind in der Umwelt sehr widerstandsfähig. Der Wirt kann dummerweise auch der Mensch sein. Im Prinzip verläuft die Übertragung ähnlich wie beim Fuchsbandwurm. Doch während der Fuchsbandwurm beim Menschen auf die Leber geht, geht der Waschbärspulwurm sehr gerne auf das Zentrale Nervensystem, aufs Gehirn und aufs Auge. Dabei sind die Eier im Kot des Waschbären das Problem – nicht der Waschbär an sich. Wir gehen davon aus, dass in der Region Stuttgart die Befallsrate bei 30 Prozent liegt.

 

Welche Vorsichtsmaßnahmen kann man ergreifen?

Dr. Stegmanns: Wer einen Waschbären erlegt und ihn abbalgt, sollte gewisse Hygienegrundsätze beachten, Gummihandschuhe sind angebracht. Wenn die Tiere Kot absetzen, geht das normalerweise, ohne dass sie sich verschmieren. Wer allerdings einen toten Waschbären findet, gar mit Zeichen von Durchfall – oder wenn ein Waschbär mit der großen Kugel erlegt wurde, dann würde ich ihn genauso wie den Fuchs in einem dichten Plastiksack transportieren.

 

Als Fazit: Ist der Verzehr trotz der genannten Risiken möglich?

Dr. Stegmanns: Nur gut durchgebraten. Ich würde insbesondere Allesfresser, natürlich gerade die Neozoen, nur gut durchgegart verzehren. Gut durchgegart heißt: Die natürlichen Merkmale des Fleisches sind nicht mehr erkennbar, es ist weder rosa noch rötlich und es tritt kein Fleischsaft mehr aus.

 

 

Waschbären mit blinden Passagieren im Gepäck

Im Rahmen einer Studie zur Krankheitsübertragung wurden 234 Waschbären aus Mitteldeutschland untersucht. Das 2023 veröffentlichte Ergebnis zeigt unter anderem: Der Waschbärspulwurm (Baylisascaris procyonis) stellt mit einem Gesamtbefall von 95 % der untersuchten Individuen die am häufigsten identifizierte Parasitenart dar. Weil sich der Waschbär immer weiter ausbreitet, erwarten die Wissenschaftler, dass sich insbesondere in städtischen Gebieten immer mehr Menschen mit dem Waschbärspulwurm anstecken könnten.

Unter dem Titel „Krankheitsübertragung: Waschbären mit blinden Passagieren im Gepäck“ hat die Goethe-Universität in Frankfurt am Main die beiden Studien innerhalb eines Online-Artikels veröffentlicht. Hier finden Sie den Online-Artikel sowie die Studien, die ursprünglich in den Fachjournalen „Viruses“ und „International Journal for Parasitology“ erschienen sind.