Aufholjagd kaum noch möglich!

Die Auerwildhegegemeinschaft (AHG) im Regierungsbezirk Freiburg hielt am 23. Juli 2022 ihre wohl letzte Mitgliederversammlung ab. Diese war ein Notschrei auf dem Notschrei.

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Der Tagungsort im Nordic Center Notschrei auf der Passhöhe zwischen Kirchzarten und Todtnau musste kurzfristig in die Berghütte „Haldenköpfle“ in unmittelbarer Nähe verlegt werden. Die unter Anwesenheit wichtiger Vertreter des LJV, der Kreisforstämter Breisgau-Hochschwarzwald und Lörrach und der FVA gut besuchte Tagung stand unter dem Vorzeichen größter Sorge um den Erhalt des Auerwilds.

Der Vorsitzende Dr. Gerrit Müller dankte in seinem Rückblick auf das vergangene Jahr allen Unterstützenden, insbesondere den Vorstandskollegen und den Auerwild-Obleuten der Kreis­jägervereinigungen. Er ehrte die ausscheidenden Obleute Manfred Armbruster (KJV Offenburg), Willi Hug (KJV Kinzigtal) und Alfred Neymeyer sowie Wolfgang Huber (JV Markgräflerland) für ihren über viele Jahre hinweg erbrachten Einsatz. Den Nachfolgern Klaus Schmiederer, Martin Bonath und Roland Kottal wünschte er alles Gute für ihre künftige Arbeit und bedauerte, sie vor dem Hintergrund der dringend erforderlichen Umstrukturierung der AHG nicht mehr lange unterstützen zu können. Gegen seinen Vorschlag, den amtierenden Vorstand mit der Abwicklung zu beauftragen und auf Neuwahlen zu verzichten, ergaben sich keine Einwendungen.

Auf den Bericht von Doktorand Lukas Scholz über das Ende 2021 gestartete Fortsetzungsprojekt der Universität Freiburg zur Ermittlung der Fuchsdichte folgte der Bericht der FVA. Dr. Joy Coppes referierte zum Lebensraum-Management und betonte die Wichtigkeit der Freiflächen, die sich auch bei der kurz vor dem Abschluss stehenden Auswertung der neuen Luftbildanalyse abzeichne. Dr. Rudi Suchant berichtete, zum Stand des seit 2020 vorbereiteten Maßnahmenplans Auerhuhn keine neuen Informationen zu haben und dass wichtige rechtliche Voraussetzungen zur effizienten Förderung für den Nichtstaatswald noch immer fehlen. Einen weiteren Schwerpunkt setzte er beim Monitoring als dem zentralen Evaluations- und Steuerungsinstrument. Hier müsse langfristig gedacht sowie gehandelt werden und die konventionelle Balzplatzzählung durch genetische Probennahme ergänzt bzw. abge­sichert werden.

Zeno Bader stellte anschließend Neuigkeiten vom Verein Auerhuhn im Schwarzwald e.V. vor, der vor zwei Jahren zur breit angelegten Unterstützung aller Anliegen des Auerhuhnschutzes (konkret auch der Beratung der Forstleute und Waldbesitzenden bei der Planung und Umsetzung von Fördermaßnahmen und für öffentlich wirksame Aktionen/Kampagnen) gegründet wurde.

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Auerwildpopulation weiter im Sinkflug, Prädatoren obenauf

Bei der Vorstellung der Ergebnisse der Balzerhebung durch den Vorsitzenden für den Regierungsbezirk Freiburg Dr. Gerrit Müller und Dr. Karl-Eugen Schroth für den Regierungsbezirk Karlsruhe kam bedrückte Stimmung auf. Trotz engagierten Einsatzes bei der Erfassung der balzenden Hähne ergab sich ein Absinken der Gesamtzahl gegenüber 2021 von 114 auf nur noch 97 Stück. Der Rückgang betraf auch den Nationalpark, wo die sorgfältig erhobenen Zahlen an den etablierten Balzplätzen ebenfalls rückläufig sind. Die Abnahme um 15 % fiel insgesamt nahezu gleich hoch aus wie im Vorjahr (–16 %). Die Zahlen um den Feldberg blieben auf niedrigem Niveau stabil, während im restlichen Regierungsbezirk Freiburg fast ein Viertel weniger Hähne gezählt wurden.

Dieses Absinken passt nicht zur Entwicklung der populationsrelevanten Parameter im Vorjahr und erst recht nicht der vergangenen drei Jahre, wonach bei im Schnitt günstiger Frühjahrs-Witterung, warm-trockenem Sommer und dadurch zunehmenden Freiflächen in Folge von Borkenkäfer- und Trockenheitsschäden Hoffnung auf ein spürbares Plus von mindestens 20 % gegenüber der Zahl von 2019 mit noch 135 Hähnen bestand. Da es anders kam, müssen sich laut Dr. Müller andere Faktoren, konkret die Zunahme des Einflusses von Prädatoren und/oder von Störungen stark negativ ausgewirkt haben. Dass insbesondere für das Prädatoren-Management die Jägerschaft eine entscheidende Verantwortung trage, sei schon bei der 2019 abgeschlossenen Evaluierung des APA deutlich herausgestellt worden und 2020 in den Entwurf für den Maßnahmenplan 2020–25 (mittlerweile um zwei Jahre verschoben) eingeflossen.

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Notschrei vom Notschrei

Nach den Fachvorträgen ging der Vorsitzende auf die aktuelle politische Situation ein und äußerte seinen Unmut über das nun über zwei Jahre andauernde Warten auf die Verabschiedung und Offenlegung des Maßnahmenplans. Da dies seine Ursache vor allem in den Schwierigkeiten bei der Abgrenzung der Flächenkonzeption im Hinblick auf Restriktionsbereiche für Windkraftanlagen habe, sei nicht einzusehen, warum trotz drängender Lage hinsichtlich des Prädatorenmanagements nun schon im dritten Jahr in Serie die Umsetzung des Bejagungsprojekts nicht in die Startlöcher kommen konnte. Um dem nicht untätig zusehen zu müssen, seien die Auerwildhegeberater des LJV, Dieter Geiger und Johann Belsch, bis zum Start des Maßnahmenplans weiter aktiv. So sei im Regierungsbezirk Freiburg für den vergangenen Winter eine Raubwildstrecke von insgesamt 1.027 Stück (davon 998 Füchse) allein bei den Artenschutzwochen an Dieter Geiger gemeldet worden. Trotz Staupe und vor allem viel gemeldeter Räude würde also noch sehr viel Raubwild erlegt. Es falle aber allgemein zunehmend schwerer, sich unter dem Eindruck von Unklarheit 
und Unentschlossenheit überzeugt 
für die Sache einzusetzen bzw. als seriöser Gesprächspartner akzeptiert zu werden. 

Umso wichtiger sei es, die nicht mehr rechtskonforme AHG in kleinere Hegegemeinschaften zu „regionalisieren“, d. h. in den letzten Schwerpunktvorkommen des Auerwilds ohne weiteren Zeitverlust durch autonome Hegegemeinschaften (HG) nach § 47 JWMG zu ersetzen. Ohne tatkräftige Unterstützung von ForstBW in Auerwildschwerpunkten mit nennenswertem Staatswaldanteil sei aber die Bildung einer HG nicht zielführend.

ForstBW-Chef Max Reger habe am Vortag der Tagung die grundsätzliche Bereitschaft seines Betriebes zur Unterstützung zugesagt. Der frühere Präsident der Forstdirektion Freiburg, Erwin Lauterwasser, der eine entscheidende Rolle bei der Gründung der AHG im Jahre 1980 spielte, war als Ehrengast zur Mitgliederversammlung eingeladen. Er ergriff zum Abschluss der ausführlichen Diskussion das Wort 
und dankte den Verantwortlichen der AHG ausdrücklich für ihr Engagement verbunden mit der Bitte an alle An­wesenden, im Interesse der Sache nicht zu resignieren und sich dem gemein­samen Kampf um die Erhaltung des Schwarzwald-Charaktervogels zu stellen.

Vor dem Übergang zum Mittagessen und der sich anschließenden eindrucksvollen Exkursion im Revier vom Haldenköpfle-Besitzer Peter Mogg stimmten die Teilnehmenden dem Vorschlag des Vorsitzenden zu, die Kernaussagen aus den Vormittagsvorträgen und deren Diskussion dem Sinn nach im nebenstehenden Memorandum „Notschrei vom Notschrei“ zusammenzufassen. 

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MEMORANDUM
Notschrei vom Notschrei

1. Der Maßnahmenplan Auerhuhn muss umgehend als verbindlich erklärt werden, um noch im kommenden Herbst/ Winter die Umsetzung einleiten zu können. Die geplanten jagdlichen Maßnahmen zur verschärften flächendeckenden Prädatorenregulierung müssen auf ihre Aktualität hin überprüft und ggf. flexibel an die tatsächlichen Anforderungen angepasst werden.

2. Hierzu ist die rasche Umstrukturierung der AHG in auerhuhnspezifische Hegegemeinschaften (HG) im Auerwildverbreitungsgebiet unabdingbar. In Gebieten mit nennenswertem Staatswaldanteil ist ForstBW bei der HG-Bildung und -Aufgabenerfüllung maßgeblich zu beteiligen. Für diesen Mehraufwand evtl. erforderliches Personal ist von ForstBW bereitzustellen.

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Dr. Gerrit Müller (AHG)
Klaus Lachenmaier (LJV)