Schattengänger - Damwild in Baden-Württemberg

Die zweitgrößte Hirschart im Land, die kaum einer beachtet – Dama dama. Ein Versuch zu erklären, warum deren Einordnung nicht so einfach ist und ein Plädoyer für einen artgerechten und wildbiologisch-wissenschaftlich fundierten Umgang mit ihr.

  • Foto: Julia Döttling

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Wer Baden-Württemberg hört, denkt nicht unbedingt an das Damwild. Vor der letzten Eiszeit war Damwild auch in unseren Breitengraden keine Seltenheit und das Vorkommen erstreckte sich vermutlich vom vorderen Orient und Nordafrika bis ins nördliche Mitteleuropa. Das Eis in Europa führte bei Tier- und Pflanzenarten zu Arealverschiebungen, so auch beim Damwild, das nach der letzten Eiszeit aus Zentraleuropa verschwunden war.

Bereits 150 n. Chr. gibt es jedoch wieder Hinweise (z.B. in England) von Einbürgerungen. Spätestens jedoch im Hochmittelalter wurde Damwild als dem Hochadel vorbehaltenes Jagdwild häufiger angesiedelt. Aufgrund des damals großen Stellenwertes des Rotwildes in unserem Land, ging die Einbürgerungswelle des Damwildes weitgehend an Baden-Württemberg vorbei. Die ersten Tiere wurden im 16. Jahrhundert ausgesetzt. Gehört das Damwild also nun zu Baden-Württemberg? Oder ist es sogar ein Neozoon?

Mit der Einordnung von Arten tut sich der Mensch grundsätzlich schwer. Was ist endemisch, also einheimisch und was nicht?  Bei Arten wie dem Waschbären oder dem Rotwild fällt uns das leicht, bei anderen Arten deutlich schwerer einzuordnen. Als Neozoen werden Tierarten bezeichnet, die seit Beginn des Kontinente übergreifenden Handels ab 1492 unter direktem oder indirektem Mitwirken des Menschen in ein ihnen zuvor nicht zugängliches Faunengebiet gelangt sind und dort neue Populationen aufgebaut haben.

Damwild wurde vom Menschen wieder eingebürgert. Aber die Römerzeit liegt deutlich vor der Stichjahreszahl 1492, das 16. Jahrhundert jedoch danach. Wie groß oder klein grenzen wir das Faunengebiet ab? Und warum wird ein Referenzzeitpunkt in einem sonst dynamischen und sich ständig ändernden System gewählt? Fakt ist: In Baden-Württemberg gibt es Damwild und mit 1.295 erlegten Tieren im Jagdjahr 2020/2021, im Wesentlichen auf sechs voneinander getrennte Gebiete verteilt, kann man nicht von ein paar vorkommenden Einzeltieren sprechen.

Mit dem Damwild verhält es sich wie mit anderen Arten, die einen großen Raumanspruch und eine ausgeprägte Sozialstruktur haben. Es braucht einen Plan für die Bewirtschaftung, damit diese artgerecht und zielorientiert stattfinden kann und mögliche Schäden in Land- und Forstwirtschaft wirklich verhindert werden können. Dieser Plan fehlt für Baden-Württemberg.

Fangen wir mit der Dokumentation der Abschusszahlen an: Hier fließen Abschüsse aus Jagdgattern sowie entwichener Gehegetiere ebenso ein, wie die Abschüsse in der wildlebenden Population. Rückschlüsse auf die freilebende Population auf Grundlage der Jagdstatistik sind also nicht ohne weiteres möglich. Sinnvoller wäre eine separate Dokumentation von Abschüssen aus freien Populationen sowie aus Gattern und entflohenen Gehegetiere, soweit dies eben möglich ist.

Viel gravierender ist allerdings die Tatsache, dass es für unser Land keine Damwild-Richtlinie gibt. Es geht hierbei nicht um eine „Hegerichtlinie“, die das Ziel verfolgt den Bestand anwachsen oder Damwildvorkommen auszubreiten. Es geht schlicht und ergreifend darum, dass es damit de facto keine fachliche und wildbiologisch fundierte Anweisung an die unteren Jagdbehörden gibt, wie eine Abschussplanung zu erfolgen hat. Die Ermittlung eines Ausgangsbestandes vor der Abschussplanung ist nicht gefragt. Eine Zielsetzung für den Restbestand nach dem Abschuss ist nicht gefragt. Das Geschlechterverhältnis ist nicht gefragt. Der Hirschabschuss ist klassenlos. Also ist es egal, ob es ein Spießer, Knieper, mittelalter oder alter Hirsch ist. Hirsch ist Hirsch, gleich jeder Altersklasse. Der Abschussnachweis erfolgt bei den Kälbern ohne Angabe des Geschlechtes.

Beim Rotwild werden glücklicherweise mit viel Aufwand sogenannte Rotwildkonzeptionen erstellt, die zu den oben aufgezählten Punkten Empfehlungen enthalten und darüber hinaus auch Lebensraumgestaltung und -beruhigung miteinbeziehen. Diese Aspekte sind absolute Schlüsselfaktoren des Wildtiermanagements: Werden diese Aspekte beachtet, lassen sich zu hohe Wildbestände effektiv und vor allem artgerecht reduzieren, lassen sich Wildtiere in ihrer Verbreitung steuern und Schäden in der Land- und Forstwirtschaft können reduziert werden.

Wenn solche (Schalenwild-)Arten allerdings ohne „echten“ Plan bewirtschaftet werden, kann genau das Gegenteil davon eintreten, was man eigentlich erreichen möchte. Bestände nehmen in Folge von verschobenen Geschlechterverhältnissen zu, das mögliche Wildschadensrisiko ebenso.

Ob Schattengänger oder im Landeswappen verankert – die bei uns vorkommenden Schalenwildarten sollten artgerecht, zielorientiert und auf wildbiologisch-wissenschaftlicher Basis bewirtschaftet werden. Dafür braucht es einen Plan.