Die Jagd befindet sich im Wandel. Besonders in unseren Niederwildrevieren zeigen sich diese Veränderungen deutlich: Die Zeiten, in denen es Niederwild in Hülle und Fülle gab, sind lange vorbei. Die Tollwutimmunisierung in den 80ern hatte explodierende Raubwilddichten zur Folge. Was vorher noch halbwegs als normale Populationsdynamik betrachtet werden konnte, rutschte ins absolut Negative. Bis die Jägerschaft vielerorts begriffen hatte, was passiert war, war es meist schon zu spät und die Niederwildbesätze ließen eine Bejagung nicht mehr guten Gewissens zu.
Die Folge war eine jagdliche Umorientierung und spätestens seit das Schwarzwild fast landesweit vorkommt, ist das Niederwild in Vergessenheit geraten. Die Jägerschaft tauschte die Flinte gegen eine hochwildtaugliche Büchse – und so war das Schicksal des Niederwildes vielerorts endgültig besiegelt. Raubwild, das in nie zuvor dagewesenen Dichten vorkam, wurde zudem bei der Schalenwildbejagung häufig geschont. Denn man wollte ja die eventuell in drei Stunden anwechselnde Sau nicht vergrämen. Ohne bejagbare Niederwildbesätze sank das Interesse an der Raubwildjagd zusätzlich. In der Folge ging das Wissen um die Niederwildhege sowie dessen Bejagung in vielen Revieren verloren. Und mal ehrlich: Wann haben Sie zuletzt an einem Kesseltreiben im offenen Feld teilgenommen? Oder an einem Jagdtag 150 Stück Niederwild auf der Strecke erlebt?
Während sich ein Jungjäger vor 50 Jahren als allererstes ein einfaches Fernglas und eine Flinte, maximal noch ein Kleinkaliber zuzulegen hatte, fällt die Wahl heutzutage auf den großkalibrigen, schallgedämpften Geradezugrepetierer. Doch gerade bei der Niederwildjagd und dessen Hege gibt es für Jungjäger vieles zu entdecken. Egal, ob Biotoppflege, Raubwildbejagung, Krähen- oder Taubenjagd, die Jagd- und Lernmöglichkeiten sind vielseitig.
Im Allgemeinen scheint die Niederwildbejagung in Zeiten sinkender Schalenwildbestände nun wieder populärer zu werden. Vielen fehlen jedoch nun die dazu nötigen Grundkenntnisse und Erfahrungen. Oft ist das aber gar nicht so schwer und zwischen Schalenwild- und Niederwildbejagung lassen sich sogar einige direkte Parallelen ziehen.
Planung und Vorbereitung
Ab Oktober beginnt die „Erntezeit“ im Niederwildrevier. Nun zeigt sich, ob sich all die Arbeit und all die Mühen das Jahr über gelohnt haben. Wie bei der Drückjagdvorbereitung gibt es natürlich auch für die Niederwildjagd einiges vorzubereiten.
Schießen üben
Was für die Drückjagdsaison mittlerweile selbstverständlich ist, ist auch bei der Flintenjagd vorgeschrieben – der Schießnachweis. Wer Flugwild oder Hasen mit der Flinte bejagen möchte, muss in den vergangenen 12 Monaten auf dem Schießstand geübt haben. Der sichere Umgang mit der Waffe gewährleistet absolute Sicherheit in allen jagdlichen Situationen und sorgt für eine tierschutzkonforme Jagd.
Waffe und Munition
„Der Lauf schießt, der Schaft trifft“, ist in Bezug auf die Jagd mit der Flinte mehr als nur ein Spruch, denn er schafft Tatsachen. Passt die Flinte beim Trapschießen nicht so ganz, ist das zwar nicht ideal, aber der Schütze hat Zeit, sich auf die abgerufene Wurfscheibe vorzubereiten. Auf der Jagd hingegen muss es oft schnell gehen, der Jäger muss intuitiv handeln und kann sich keine Fehler leisten.
Auch bei der Munitionswahl dürfen wir auf der Jagd nichts dem Zufall überlassen. Für den Schrotschuss brauchen wir eine Patrone, die vor allem eine ausreichende Deckung aus der eigenen Flinte erzielt. Auch bei der Schrotgröße gibt es im Handel reichlich Auswahl. Oft empfehlen die Hersteller bereits, für welchen Einsatzzweck die Patrone konzipiert wurde. Hierbei unterscheidet man im Wesentlichen nach Schussentfernung und Größe/Gewicht der zu bejagenden Wildart.
2,5 – 2,8 mm Schrote (Schrotnummer 6 + 7)
Schnepfe, Kaninchen
2,8 – 3,0 mm Schrote (Schrotnummer 5 + 6)
Alles andere Flugwild wie Fasane, Krähen, Tauben, Enten oder Gänse
3,0 – 3,5 mm Schrote (Schrotnummer 3 – 5)
Feldhasen, Füchse, Waschbären oder Dachse
Gerade bei feuchter Witterung empfiehlt es sich, beim Schrotschuss auf Haarwild eher eine Nummer grober zu verwenden, da die Haare etwas verkleben und sich um die in den Wildkörper eindringenden Schrote wickeln.
Wer in Schutzgebieten oder an und um Gewässer jagt, muss bleifreie Patronen verwenden. Wer die Kosten nicht scheut und sich für Patronen mit Bismuth- oder Kupferschroten entscheidet, braucht nichts weiter zu beachten. Die physikalischen Eigenschaften dieser Metalle sind denen von Blei gleichzusetzen. Wer die günstigere Weicheisen-Alternative wählt, benötigt zwingend eine Flinte mit Stahlschrotbeschuss. Außerdem sollte man bei der Auswahl der Patronen immer ein bis zwei Nummern grobere Schrote wählen, da die Dichte von Weicheisen geringer ist.
Jagd ohne Hund ist Schund
Für die Niederwildjagd ist ein jagdlich brauchbarer Hund vorgeschrieben. Bei Gesellschaftsjagden sollten zudem mehrere Hunde zum Einsatz kommen, die sich die Arbeit aufteilen können. Es gibt kaum etwas Schöneres als zuverlässig arbeitende Hunde im Treiben, welche das Wild rechtzeitig anzeigen und anschließend sauber apportieren. Eine gute Ausbildung ist unerlässlich, denn ein etwas zu fester Griff oder ein kurzer Streit zwischen zwei bringfreudigen Hunden fördert die Wildbretqualität absolut nicht. Wer den Hund während der Jagd direkt neben sich ablegt, sollte zudem an einen geeigneten Gehörschutz für den eigenen Vierbeiner denken.
Der Jagdtag
Die Einzeljagd nimmt nie viel Zeit für die Planung im Vorfeld in Anspruch und auch der Entenstrich am Weiher mit den Freunden stellt keine große Herausforderung dar. Die Einfallrichtung gegen den Wind unter Einbeziehung der örtlichen Gegebenheiten ist schnell klar, es müssen nur ein paar Grundregeln besprochen werden. Das Wichtigste ist hierbei die Sicherheit! Enten werden oft auf dem Abendstrich bei eintretender Dunkelheit bejagt, somit verbietet sich der flache Schuss in Richtung der Mitjäger unbedingt. Wer an Fließgewässern jagt, muss zudem an die Strömung denken. Während die Hunde am Weiher meist erst nach Beendigung des Strichs ins Wasser geschickt werden, muss das erlegte Wild an Fließgewässern meist direkt geborgen werden, da es sonst abtreiben kann.
Wer eine klassische Treibjagd auf Niederwild plant, muss einen ähnlichen Aufwand wie bei der Planung einer Drückjagd auf sich nehmen. Schützen, Hundeführer und Treiber möchten organisiert werden. Die Kontrolle der Schießnachweise und Jagdscheine, das Anstellen, der Transport des erlegten Wildes oder das Auszeichnen der Stände je nach Art des Treibens – alles Aufgaben, die der Jagdleiter ab einem gewissen Umfang auch nicht mehr allein händeln kann. Somit sind eingewiesene und vorbereitete Jagdhelfer unumgänglich.
Die Art des Treibens ist sicherlich auch von der Anzahl der Teilnehmer und dem zu bejagenden Gelände abhängig, viel wichtiger sind jedoch die Fähigkeiten der teilnehmenden Jäger. Wirklich erfahrene Niederwildjäger sind selten geworden und so empfiehlt es sich heutzutage, einen Jagdtag mit mehreren Abstelltreiben zu planen. Jedes Treiben kann im Vorfeld auf der Karte geplant und Stände ausgezeichnet werden. Die Entfernung zwischen den Schützen sollte im Idealfall 55 Meter betragen, da somit eine ideale Schussentfernung von 30 bis 35 Meter z. B. auf den Hasen erreicht wird und den Schützen zudem die Entfernungsschätzung einfacher fällt, da man sich leichter orientieren kann. Die Treiber kommen aus einer festgelegten Richtung und es wird in der Regel nur „nach außen“ geschossen. Nach dieser Planung können noch ein paar Tipps während der morgendlichen Ansprache folgen, z. B. den Fasanenhahn nur von der Seite oder von hinten beschießen, um die Brust – also die Edelteile – zu schonen, und schon steht einer erfolgreichen Jagd nichts mehr im Wege.
Hochwertiges Lebensmittel
Wildbrethygiene – kaum ein Thema wird, neben der Sicherheit, bei Drückjagden größer geschrieben. Aufbrechpausen, frisches, möglichst fließendes Trinkwasser, Aufbrechteams usw … alles Themen, die uns im Vorfeld lange beschäftigen. Warum sollte es beim Niederwild also anders sein? Gerade bei größeren Tagesstrecken wird schnell klar: Am besten geht es, wenn alle mit anpacken. Wichtig ist hier bereits der Transport des Wildes den Tag über auf dem Wildwagen. Erlegtes Wild wird nach dem Treiben zusammengetragen und mit genügend Abstand aufgehängt, denn aufeinander gestapeltes Wild verhitzt bereits nach kürzester Zeit. Erlegte Hasen oder Kaninchen werden vor dem Aufhängen „ausgedrückt“, das heißt, die Blase wird durch gezielten Druck mit der Hand auf die Unterseite der Bauchdecke im Beckenbereich entleert. Bei langen Jagdtagen sind Aufbrechpausen, wie wir sie von Drückjagden kennen, Pflicht!
Wenn das abendliche „Strecke versorgen“ bereits in der Wildkammer stattfindet, kann man sich mit provisorischen Wildgehängen zusätzliche Aufbrechmöglichkeiten schaffen. Falls dieser Schritt noch im Revier passiert, hat sich ein größerer Hänger, mit ausreichend Beleuchtung und einer ausklappbaren Seitentür, als absoluter Luxus erwiesen. Eine Gruppe kümmert sich um das Federwild, eine andere um das Haarwild.
Beim Haarwild werden zunächst alle Hasen und Kaninchen abgezogen, am einfachsten funktioniert das mit einem Rückenschnitt. Der Pelz wird hierfür einmal in der Mitte rundum aufgeschnitten, danach ziehen zwei Jäger in entgegengesetzte Richtung und ruckzuck ist der Hase nackig. Danach kann der Hase an den Aufbrechtrupp übergeben werden. An der letzten Station wird alles Wild gut aus- bzw. abgewaschen. Bei diesem Schritt können auch feine Haare, welche bei Hase und Kaninchen gerne mal am Fleisch kleben, sauber abgewaschen werden. Zuletzt wird das Wild luftig und kühl zum Trocknen aufgehängt.
Beim Flugwild gibt es unterschiedliche Ansätze. Der eine nimmt das Wild nur aus und verkauft es im Federkleid, manche ziehen Fasane oder Enten beispielsweise ebenfalls ab. Die wenigsten rupfen größere Federwildstrecken von Hand. Wer die Möglichkeit hat, kann frisch erlegtes Wild auch brühen – solange der Wildkörper noch geschlossen ist.
Dieser Schritt des gemeinsamen Streckeversorgens erleichtert dem Jagdherrn die Vermarktung erheblich, frei nach dem Motto „viele Hände, schnelles Ende“. Die Niederwildjagd ist eine der geselligsten Jagdarten, denn anders als bei Drückjagden sind alle Beteiligten den kompletten Jagdtag über zusammen unterwegs. Manch ein Schuss kann auch gemeinsam reflektiert werden. Die gesamte Gruppenleistung entscheidet über den Erfolg, welcher sich nicht in der reinen Stückzahl misst, sondern daran, was abends vermarktungsfähig am Haken hängt – hochwertiges Lebensmittel!
Benjamin Gut (LJV)

