Der Klimawandel hinterlässt deutliche Spuren in unseren Wäldern. Steigende Temperaturen und anhaltende Dürreperioden führen zu Wassermangel im Boden und verringerter Luftfeuchtigkeit, was die Wälder erheblich belastet. Trockenschäden und geschwächte Bäume, die anfälliger für Schädlinge wie den Borkenkäfer sind, sind inzwischen deutschlandweit verbreitet. Diese Entwicklung kann großflächige Waldschäden (Kalamitäten) verursachen, die eine aufwendige Wiederbewaldung erfordern. Ein zukunftsorientierter Waldumbau ist unerlässlich, um den Folgen des Klimawandels entgegenzuwirken und sicherzustellen, dass auch kommende Generationen von den vielfältigen Ökosystemleistungen des Waldes profitieren können. Hierbei sehen viele Forstleute die Büchse als wichtigstes Instrument. Mancherorts wird sogar erwogen, etablierte Revierpachtverträge durch Regiejagden zu ersetzen, um durch erhöhten Abschuss von Schalenwild Verbissschäden an der Naturverjüngung zu minimieren. Aber: Verbiss ist nicht gleich Schaden und „wenige Rehe können viel, viele Rehe können wenig Schaden machen“!
Die nächsten Jahrzehnte stellen uns daher gesamtgesellschaftlich vor große Herausforderungen. Forderungen, Schalenwildbestände auf ein Minimum zu reduziert, um den Waldumbau erst möglich zu machen, sind zu kurz gedacht.
HIER BEDARF ES EINES GANZHEITLICHEN ANSATZES
Jäger, Förster und Waldbesitzer können die Herausforderungen nur gemeinsam meistern!
Hinsichtlich des klimawandelbedingten Waldumbaus besteht dringend Handlungsbedarf. Durch das Projekt „Wild-Wald-Bewusstsein“ sollen wissensbasiert praktische Lösungen für die Anwendung in den jeweiligen Revieren entwickelt werden. Fort- und Weiterbildung von Jägern, aber auch die Ausbildung von Multiplikatoren in den Jägervereinigungen vor Ort, gewährleisten ein bewusstes und nachhaltiges Bewirtschaften angepasster Schalenwildbestände. Außerdem sollen bei Runden Tischen auf Arbeitsebene Verpächter, Bewirtschafter und Pächter klar, offen und auf Augenhöhe Themen besprechen, die in Zielvereinbarungen münden.
PROJEKTZIELE
- Praxisnaher Wissenstransfer in die Jagdreviere
- Etablierung eines Revierhandbuchs
- Etablierung konstanter Seminar- und
- Weiterbildungsangebote für alle Akteure
- Intensivierung und Stärkung der Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen Jägerschaft, Grundstückseigentümer und Bewirtschaftern
- Verankerung von Multiplikatoren auf landesweiter Ebene
WILD -Ich bin da.
Wild hat eine Daseinsberechtigung in unserer Kulturlandschaft. Die Grundbedürfnisse allen Wildes basieren auf einem artgerechten Leben, das maßgeblich an Sicherheit, Ruhe und Äsung gebunden ist.
Im erweiterten Sinne gehören dazu ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis und eine gesunde Altersstruktur der an den Lebensraum angepassten Population. „Zahl vor Wahl“ beim Regulieren der Population – ohne Berücksichtigung der genannten Parameter – ist nicht artgerecht und keine Lösung.
WALD -Ich auch.
Die fast 40 % bewaldete Landesfläche Baden-Württembergs sind nicht nur Kulturfläche, sondern kommen einer Vielzahl von Funktionen nach, von denen nicht nur die Tiere des Waldes profitieren, sondern auch wir Menschen. Ohne Zweifel gilt es, unsere Wälder zu erhalten. Doch das Ziel wirtschaftlich lukrativer Waldbestände darf nicht zulasten der Wildtiere umgesetzt werden.
ES GILT DER GRUNDSATZ: WALD MIT WILD!
Sowohl die Wiederbewaldung großer Kalamitätsflächen als auch der Waldumbau hin zu klimaresilienten Wäldern erfordern eine gute Planung und Weitsicht. Neben der Wiederaufforstung durch Pflanzung oder Saat, oft mit „neuen“, nach aktuellem Forschungsstand zukunftsfähigen Baumarten, liegt auch viel Hoffnung in der Naturverjüngung. Die daraus entstehenden Bäume profitieren von einer ungestörten Wurzelentwicklung, was in einer hohen Vitalität und Stabilität der einzelnen Bäume und somit des gesamten Bestandes resultiert. So kann dann durch die Vorausverjüngung ein Vorrat für anstehende Ausfälle geschaffen und das Risiko minimiert werden.
BEDÜRFNISSE
WILD
Der Mensch macht sich die Natur zu eigen – oft ohne Rücksicht auf Verluste. Wildtiere sind den Eingriffen des Menschen schutzlos ausgeliefert. Deshalb liegt es in unserer Verantwortung, ihre Bedürfnisse zu berücksichtigen, besonders in ihrem Lebensraum.
Was Wildtiere brauchen:
- abwechslungsreiche und ruhige Äsungsflächen
- ausreichend Äsung auch in den Wintermonaten
- ausreichend Deckung
- strukturreiche Wälder
- Schutz und Ruhe während der Aufzuchtszeit
- unzerschnittene Lebensräume
- artgerechtes Leben mit einem ausgeglichenen Geschlechterverhältnis und einer gesunden Altersstruktur
- störungsfreie Ruhezonen
Ich brauche den Wald.
ANFORDERUNGEN
AN DEN WALD
Wälder sind selbstregulierende Ökosysteme, die ohne menschlichen Einfluss in natürlicher Vielfalt existieren würden. Dennoch sind wir auf ihre ökologischen und ökonomischen Leistungen angewiesen. Diese Abhängigkeit führt dazu, dass wir Erwartungen an Wälder stellen und versuchen, sie nach unseren Bedürfnissen zu gestalten.
Wie Wälder sein sollen:
- klimastabil und zukunftsfähig
- reich an Laubholz, Struktur und Altersklassen
- resistent und resilient
- ressourcenreich
- dauerhaft und nachhaltig
- wirtschaftlich lukrativ
- erholsam
- …
Mich gibt es nur mit Wild.
VERANTWORTUNG
JAGD
Durch natürliche Sukzession (Abfolge der Vegetationsentwicklung nach einer Störung), ausgelöst durch Kalamitäten, wird sich das Waldbild hin zu dichteren Beständen wandeln und damit die Jagdausübung erheblich erschweren. „Statisches“ Jagen von festen Ansitzeinrichtungen in hallenähnlichen Waldbeständen wird immer weniger möglich sein.
Um den veränderten Bedingungen gerecht zu werden, sollten beispielsweise der Einsatz mobiler Ansitzeinrichtungen, Pirschjagd, die Jagd an Bejagungsschwerpunkten und Intervalljagd verstärkt genutzt werden, um weiterhin effizient Strecke zu machen. All dies muss jedoch stets mit Blick auf einen gesunden, artgerechten und angepassten Wildbestand erfolgen.
Traditionelle Jagdmethoden müssen kritisch hinterfragt und angepasst werden, um den Herausforderungen des Klimawandels in den Wäldern gerecht zu werden.
VERANTWORTUNG
FORST & WALDBESITZ
Waldbesitzende sind in der Verantwortung, ihre waldbaulichen Ziele klar zu definieren und mit den Bewirtschaftenden abzustimmen. Eine zukunftsorientierte Baumartenwahl für den Waldumbau
oder bei eventuellen Wiederaufforstungen sowie die Kulturpflege und -sicherung sind das eine. Das andere ist die Unterstützung der Jagenden durch gemeinsames Planen und Umsetzen von Ersatzäsungsflächen oder Wildruhegebieten, um nur zwei Instrumente zu nennen.
Jagdliche und waldbauliche Maßnahmen müssen sowohl untereinander als auch mit den Bedürfnissen des Wildes abgestimmt werden.
VERANTWORTUNG
FREIZEITNUTZUNG
Der Wald ist für uns Menschen weit mehr als nur Jagdrevier und Holzproduzent – er dient als vielseitiger Erholungs- und Freizeitraum. Verhalten wir uns nicht den Umständen entsprechend, leben wir unsere Freude schnell auf Kosten der Wildtiere aus. Unberechenbare Störungen können das Raum-Zeit-Verhalten der Wildtiere beeinflussen, was zu Verschiebungen in der Populationsverteilung führen und in bestimmten Gebieten einen erhöhten Verbissdruck verursachen kann. Besonders kritisch ist die Situation im Winter, wenn der Energiebedarf der Tiere ohnehin schon erhöht ist. Zusätzliche Störungen in dieser Zeit zwingen die Tiere zu vermehrter Aktivität und steigern ihren Nahrungsbedarf weiter. Es liegt daher in unserer Verantwortung, im Wald besonders rücksichtsvoll und umsichtig zu agieren.
Im Wohnzimmer der Wildtiere sollten Menschen auf den Wegen bleiben, Dämmerungs- und Nachtzeiten meiden, sich ruhig verhalten und Hunde an der Leine führen.
DIALOG
GEMEINSAM
Um diesem komplexen Thema gerecht zu werden, ist die Zusammenarbeit aller Beteiligten entscheidend. Ein konstruktiver und lösungsorientierter
Dialog zwischen den verschiedenen Interessen-gruppen ist unerlässlich, um die Herausforderungen des klimawandelbedingten Waldumbaus zu bewältigen, ohne den Konflikt auf Kosten des Wildes auszutragen.
Regelmäßige gemeinsame Waldbegänge und ein offener Austausch auf Augenhöhe können hierfür eine solide Basis schaffen, um praxisnahe Lösungen zu entwickeln, die sowohl die waldbaulichen Ziele als auch den Schutz der Wildtiere berücksichtigen.
Kommunikation ist der Schlüssel zum Erfolg – auch beim Waldumbau.